Wie entsteht Trauma?
Trauma entsteht durch überwältigende, lebensbedrohliche Ereignisse, die außerhalb des normalen menschlichen Erfahrungsbereichs liegen und unser Nervensystem überfordern. In solchen Momenten schaltet sich unser Sympathikus blitzschnell ein, und große Mengen an Überlebensenergien werden mobilisiert. Unser Körper ist bereit für Kampf (Fight) oder Flucht (Flight).
Wenn diese Überlebensreaktionen nicht ausreichen oder nicht möglich sind, kann es zu Zuständen von Ausgeliefertsein, Hilflosigkeit oder Ohnmacht kommen – eine sogenannte traumatische Zange.
Falls unser Nervensystem dauerhaft in einem Zustand der Übererregung feststeckt, kann tatsächlich Trauma entstehen.
Das Nervensystem hat jedoch eine eingebaute Notlösung:
Bei extremer Übererregung zieht unser autonomes Nervensystem die Notbremse. Der Parasympathikus wird aktiviert und schaltet mit einem riesigen Generalschalter den gesamten „Strom“ im Körper ab. Dies führt zu einer Untererregung, vergleichbar mit einem Shutdown, und kann in eine Dissoziation münden, bei der das Bewusstsein von der äußeren Realität getrennt wird. Auch in diesem „ausgeknipsten“ Zustand kann Trauma entstehen.

Insbesondere im frühen Kindesalter sind wir besonders verletzlich, da wir abhängig von unseren Bezugspersonen sind. Traumatisierende Erfahrungen müssen nicht immer offensichtlich gewaltvoll sein; selbst wiederholtes „kurz alleine lassen“ kann unter bestimmten Umständen traumatisierend wirken, weil Kinder noch nicht gelernt haben, die Situation bewusst einzuschätzen.
Traumatische Ereignisse werden oft dissoziiert, das heißt, sie werden in einzelne Teile zerlegt, um die Wucht des Erlebten zu mildern. Dies ist eine Schutzstrategie, um die Gefühle des Schmerzes, der Hilflosigkeit und der Todesangst abzuspalten und versteckt zu halten. Wenn wir später in der Gegenwart auf Trigger stoßen – Dinge, die uns an das traumatische Erlebnis erinnern – schaltet das Nervensystem wieder in den Überlebensmodus, auch wenn die Situation objektiv ungefährlich ist.
Die betroffene Person wird dann von den Gefühlen und Körperempfindungen überwältigt, die eigentlich zu einem vergangenen Ereignis gehören. Dies führt oft zu Vermeidungsverhalten und einer Angst vor dem eigenen Innenleben.
Wenn das Trauma in Beziehung zu einer wichtigen Bezugsperson entstand, kann auch die Angst vor Verbundenheit hinzukommen. Diese Mechanismen schränken die Möglichkeiten eines zufriedenen Lebens im Hier und Jetzt massiv ein, da die Lebenskraft in der Unterdrückung der bedrohlichen Gefühle gebunden bleibt. Ohne die richtige Hilfe kann das traumatische Erlebnis nicht integriert und als Vergangenheit abgespeichert werden. Sich einer anderen Person anzuvertrauen, ist oft eine große Hürde, aber notwendig für die Heilung.
Wie kann Trauma heilen?
Wenn uns etwas Schreckliches widerfährt, möchten wir es am liebsten rückgängig machen, uns davon abwenden und alles, was damit zu tun hat, abschneiden. Wir wollen nie wieder damit konfrontiert werden. Und das möglichst sofort. Dieser Wunsch ist verständlich, aber leider funktioniert es nicht so.
Die Heilung von Traumata erfordert Geduld, Zuwendung und Wohlwollen.
Ein Trauma kann heilen, wenn die damit verbundenen Gefühle und körperlichen Empfindungen in der Gegenwart wieder erlebt werden können, ohne überwältigend zu sein. Das schreckliche Erlebnis kann als Teil unserer Geschichte, als vergangenes Ereignis, abgespeichert werden. Das nennt man Integration.
In der traumasensiblen Begleitung arbeiten wir im Hier und Jetzt. Wir gehen behutsam und achtsam auf der körperlichen Ebene mit den Gefühlen und Empfindungen um, die sich zeigen. Wir untersuchen, welche inneren Bilder oder Gedanken damit in Verbindung stehen.
Es ist nicht notwendig, das traumatische Ereignis erneut durchzuleben. Wir müssen uns nicht einmal im Detail daran erinnern.
Wenn etwas spürbar wird, das mit traumatischen Erfahrungen in Verbindung steht, ist es wichtig, es wahrzunehmen – aber immer nur soweit, dass es gut verträglich ist. Es ist ein Prozess, der Zeit braucht.

Wenn wir etwas spüren, das mit traumatischen Erlebnissen zusammenhängt, ist es wichtig, es wahrzunehmen, aber nur soweit, wie es gut auszuhalten ist und nicht in die Überwältigung führt.
Es geht darum, zu erlernen, wieder Gefühle wahrzunehmen und sie im Körper zu lokalisieren. Dabei achten wir stets darauf, uns nicht völlig davon vereinnahmen zu lassen.
Hierbei ist die Methode des Pendelns äußerst hilfreich: Du richtest deine Aufmerksamkeit auf eine zuvor etablierte und gestärkte Ressource, je nach Intensität der Aktivierung entweder im Körper oder im Raum, und erfährst, dass es noch andere Dinge gibt als die unangenehme Erfahrung. Dies hilft dir im Laufe der Zeit, dich selbst besser in einer aktivierenden Situation regulieren zu können.
Darüber hinaus verändern sich erfahrungsgemäß durch das Pendeln auch die unangenehmen Gefühle nach einer Weile und es entstehen neue Verknüpfungen im Erleben.
Das Ziel besteht darin, die mit dem traumatischen Ereignis verbundenen Empfindungen zu entkoppeln. Dadurch wird es möglich, diese Empfindungen im gegenwärtigen Leben wieder zu spüren und das Spektrum des Erlebbaren wird erweitert. Das Stresstoleranzfenster dehnt sich aus. Darüber hinaus können wir Dissoziationen reduzieren, indem wir neue Möglichkeiten erkunden, in der Realität präsent zu bleiben und Handlungsoptionen zu entwickeln.